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Im Original veröffentlicht in der Computerwelt Österreich, Sommer 2004

 

Helpdesk-Mitarbeiter - die Ärmsten der Armen in der IT-Branche

Philipp Schaumann, Christian Reiser

    Helpdesk-Mitarbeiter: Guten Tag, Mayer, Internet-Service-Provider, was kann ich für Sie tun?

    Anrufer: Ich komme nicht ins Internet.

    Nach mehreren Minuten stellt sich heraus, dass der Anrufer seinen neuen PC mit Internet-Account noch nicht zusammengebaut hat.

    Anrufer2: Das Internet funktioniert nicht mehr.

    Helpdesk-Mitarbeiter: Haben Sie sich denn eingewählt, oder haben sie einen Kabelanschluss?

    Anrufer2: Keine Ahnung, ich habe das Internet so wie immer gestartet, aber es funktioniert nicht mehr.

Helpdesk-Bingo - Regeln:
1. Wann immer ein Anrufer einen der Sätze auf der Karte verwendet, darf der Helpdesk-Mitarbeiter dieses Feld mit einer Träne markieren.
2. Wenn eine horizontale, vertikale oder diagonale Linie entstanden ist, darf der Mitarbeiter aufstehen und einen Urschrei von sich geben.
Quelle: userfriendly.org

Bei derartigen wahren Begebenheiten eines Helpdesks, in diesen Beispielen von einem Internet-Service-Provider, kann man sich nur wundern, wie die Mitarbeiter ihre Nerven bewahren. Umso mehr, wenn man auch weiß, wie oft sie von Kunden angeschrieen und persönlich beleidigt werden, ohne etwas dafür zu können.

Und im Rahmen der allgegenwärtigen Kostenkontrolle wird die Situation aber noch schlimmer. Auch wenn solch ein Helpdesk eigentlich eines der wichtigsten Aushängeschilder des Unternehmens ist, das allerdings nur gesehen wird, wenn sowieso schon etwas schief läuft, so wird doch immer wieder bei der Ausbildung und den Gehältern der Mitarbeiter gespart, oder der Helpdesk wird ganz ausgelagert.

Insbesondere bei ausgelagerten Helpdesks ist es natürlich nötig, die Qualität und die Leistung zu beurteilen (und als Basis für die Abrechnung zu verwenden). Optimal wäre, diese Beurteilung auf Basis der erfolgreichen Problemlösungen zu machen, aber das ist in der Praxis nur schwer möglich, weil ein Kunde, dessen Problem gelöst ist, nicht mehr anruft. Daher muss als Basis der Beurteilung meist die Dauer der Gespräche her halten.

Dabei wird als "schlecht" gewertet, wer lange Gespräche führt, egal ob dabei das Kundenproblem gelöst wird oder nicht. Es gibt Helpdesks, wo ein Mitarbeiter gerügt wird, wenn er im Durchschnitt länger als 12 Minuten (oder 3 Minuten, je nach Branche) für ein Gespräch braucht. Jede/r, die/der schon einmal mit einem Computer-Problem gekämpft hat, weiß genau, dass es in dieser Zeit oft nicht gelöst werden kann.

Daher müssen sich die Helpdesk-Mitarbeiter andere Strategien überlegen, um ihren Arbeitsplatz zu sichern. Oft ist dies die eine oder andere Umsetzung der Hot-Potatoe-Methode. Wenn man eine heiße Kartoffel in den Händen hält - hier entspricht der Kunde der Kartoffel - so versucht man auch, diese möglichst rasch wieder los zu werden, und sei es, diese zu einem Kollegen weiter zu reichen.

Dafür gibt es verschiedene Strategien. Die einfachste ist, zu erklären, dass dieser Helpdesk für dieses Problem nicht zuständig sei, weil dies zum Beispiel zwar Hersteller des Computers ist, aber der Schuldige für das Problem eindeutig der Internet-Service-Provider sei.

Eine andere besteht im "Herschenken". Der Helpdesk-Mitarbeiter schenkt eine Software oder den Austausch einer Komponente her, auch wenn dies überhaupt nichts mit dem Problem zu tun hat. Beim nächsten Mal kommt der Kunde sowieso zu einem anderen Kollegen.

Auch der Hinweis auf eine nötige Formatierung der Festplatte ist eine mögliche Art, die heiße Kartoffel los zu werden. Diese Art gibt es in zwei Varianten. Entweder der Helpdesk-Mitarbeiter meint, eine Formatierung wäre unbedingt nötig, und ob der Kunde dies den wirklich wolle, oder er lässt den Kunden einfach mal formatieren. Wenn dieser dann verzweifelt wieder anruft, weil seine Daten weg sind, so gelangt er dann zu einem anderen Kollegen, der sich die zusätzliche Frustration des Datenverlustes anhören muss.

Wir, die Autoren dieses Kommentars, weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir vor jedem Helpdesk-Mitarbeiter, der ernsthaft versucht, in einem derartigen Umfeld seine Kunden wirklich zufrieden zu stellen, unsere Hüte ziehen und uns tief verbeugen.

Doch auf der anderen Seite stehen verzweifelte Computer- oder Internet-Benutzer, die eigentlich keine Ahnung von der Technik haben, und auch gar keine davon haben wollen. Sie wollen Computer oder Internet benutzen wie ihre Kaffee-Maschine, und wenn einmal etwas nicht funktioniert, dann wollen sie ganz berechtigt möglichst rasch Hilfe. Wie kann diesen Menschen geholfen werden?

Wirklich hilfreich wären natürlich Computer-Hard- und -Software, die benutzerfreundlicher sind. (Siehe dazu den Kommentar der Autoren in der Ausgabe ???.) Sonst bleibt nämlich nur die selbe Methode die Konsumenten immer haben, wenn sie bessere Qualität haben wollen: Sich bei Bekannten schlau machen und die Qualität des Helpdesks als Auswahl-Kriterium zu verwenden und auch notfalls dafür zu zahlen.

Abschlusssatz für die Kunden: Bei Ihrem nächsten Anruf bei einem Helpdesk denken Sie doch bitte daran, dass Sie mit einem Menschen sprechen, dem es oft schwer gemacht wird, Ihnen zu helfen.

Abschlusssatz für Helpdesk-Mitarbeiter: Versuchen Sie doch im Interesse Ihrer Kunden zu agieren. Dem geht es am besten, wenn sein Problem zufriedenstellend gelöst ist, und dann ist er auch mit Ihnen und Ihrer Firma zufrieden.

 



Philipp Schaumann, https://sicherheitskultur.at/


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