228. Newsletter - sicherheitskultur.at - 0x.11.2025
Letzte Ergänzungen 26.10.2025
von Philipp Schaumann
Hier die aktuellen Meldungen:
1. Smart Home Totalüberwachung mit AI
"Smart Home", bzw. "Smart Everything", ist bei mir schon lange ein Thema. Auf meiner Seite dazu steht u.a.: "Smart" als anderes Wort für "Überwachung". Der Beitrag Die Zukunft des Smart Home liegt in der Totalüberwachung berichtet über eine neue Entwicklung, die alles bisherige deutlich in den Schatten stellt.
Zwei der großen Anbieter im Bereich Smart Home, Amazon und Google, haben ihre neuen Produkte präsentiert. Die Kamera soll künftig nicht nur aufzeichnen und warnen, die KI kann auch gleich zusammenfassen, was so im Verlauf des Tages passiert ist.Umgekehrt wird es auch einfach möglich, nach einzelnen Ereignissen zu fragen und diese nachzuschauen. Doch auch das kratzt nur an der Oberfläche, was mithilfe von Kameras und anderen Sensoren künftig möglich sein soll.
Von Kamera über Mikrofon, von Ultraschall über die Nutzung des Wi-Fi als eine Art Radar, all diese von Echo-Geräten und anderen Smart-Home-Devices aus dem Alexa-Universum gelieferten Informationen sollen zusammengetragen werden, damit die KI ein besseres Verständnis des Umfelds hat. Damit sie weiß, mit wem sie redet, wo sich die jeweilige Person gerade befindet und was sie dort macht.
Die Idee dahinter ist nicht ganz neu, sie nennt sich "Ambient Computing", also ein Computersystem, das die Bewohnerinnen und Bewohner immer umgibt. Wer es positiv sehen will, darf das als Star-Trek-Computer bezeichnen, anderen dürfte eher eine andere kulturelle Referenz einfallen – der "Big Brother" aus 1984.
Der Artikel fragt: "Wer fühlt sich dabei wohl, rund um die Uhr von den eigenen Geräten beobachtet und ausgewertet zu werden?" Ich finde die Entwicklung sehr gruselig. Das klingt wie eine perfekte Maschine zur Überwachung des Partners, der tagsüber zu Hause ist.
In einem früheren Beitrag berichtete ich über häusliche Gewalt im Smart Home. Diese neue Entwicklung könnte da ganz neue Maßstäbe bei häuslicher Gewalt durch vollständige Überwachung setzen.
2. Die Parallelen zur Dotcom-Blase 1999
Erich Moechel aus Wien zeigt in einem Beitrag die erstaunlichen Parallelen zwischen der Dotcom-Blase 1999 [wiki] und der heutigen Situation an den Aktienmärkten auf: KI-Blase: Warten auf die große Implosion .
Die Rolle, die generative KI heute als Treiber des Booms spielt, spielten damals die Suchmaschinen. Von den damals wichtigen Suchmaschinen ist heute keine mehr am Markt, keine hat den Aufstieg von Google überlebt. Wichtig war damals die Suchmaschine von Altavista, aber auch die von Lycos, Yahoo, Inktomi und Excite. Wir sehen, die Firmen, die einen Hype starten, können ihn oft nicht überleben.
Die Rolle, die heute Nvidia an den Aktienmärkten und bei Geschäftsallianzen spielt, hatte damals der Routerhersteller Cisco. Aber diesmal sind die Zahlen eine Zehnerpotenz höher. Alle Details finden sich im oben verlinkten lesenswerten Artikel.
Hier der vorige Beitrag zur vermuteten AI-Blase.
3. Digitaler Euro
Die EU macht mit der geplanten Einführung eines digitalen Euros [wiki] langsam Fortschritte. Mit den Fortschritten regt sich auch Widerstand.
Ein recht guter Artikel des österreichischen Wirtschaftswissenschaftlers Leonhard Dobusch erklärt, warum Panik unnötig sei. Er berichtet, dass von einigen Kreisen im Ton von Verschwörungserzählungen gegen die angebliche EU-Überwachung durch den digitalen Euro gewettert wird und sehr oft gleichzeitig für den Kauf von Gold, Silber und andere, sogenannte “physische Werte” geworben wird. Ein recht durchsichtiges Manöver.
Aber auch viele der Banken machen Stimmung gegen den digitalen Euro. Sie befürchten wohl, dass einige ihrer Kunden nach Einführung des digitalen Euros weniger Bargeld auf ihren Giro-Konten halten. Das Bezahlen mit digitalen Euros könnte bequemer und günstiger sein. Der Digitale Euro soll für Basisdienstleistungen wie Überweisungen und das Bezahlen kostenlos sein, und da könnte die Bedeutung der Bankkonten und Bankdienstleistungen wie Kredit- oder Debitkarten, für viele Bürger abnehmen.
Die Idee hinter dem digitalen Euro: Interessierte Bürger installieren auf ihren Smartphones sog. e-Wallets Apps [wiki], die einen Kontostand zwischen 500–3000 € haben können. Es sind zwei Anwendungsfälle geplant. Der erste Fall betrifft Online-Zahlungen, entweder an der Kasse eines Händlers oder online bei einem Internet-Händler. Eng damit verknüpft ist der Transfer auf ein Bankkonto, dh alles, was die derzeitigen Karten und Bankkonten auch können. Damit sind für viele Bankkunden die wichtigsten Bankkonto-Funktionen bereits abgedeckt.
Der zweite Anwendungsfall ist technisch deutlich komplexer, da geht es um einen möglichen Ersatz für Bargeld. Der digitale Euro soll anonyme Offline-Zahlungen zwischen zwei Wallets ermöglichen, auch ganz ohne Internetverbindung. Anwendungsfälle wären zB Spenden für eine Religionsgemeinschaft oder politische Organisation oder Gewerkschaft oder auch ein kleiner Betrag den ich meinem Nachbarn für seine Hilfe im Garten zukommen lassen möchte.
Die technische Herausforderung bei der Implementierung solcher Zahlungen ist, dass diese Zahlungen gleichzeitig offline, sicher und anonym sein sollen. Der Artikel Wie anonymes Bezahlen möglich wäre untersucht die technischen Herausforderungen und präsentiert die Ergebnisse einer technischen Studie dazu. Die kurze Zusammenfassung: Solche nicht nachvollziehbaren Offline-Zahlungen sind technisch herausfordernd, aber durchaus möglich (vermutlich mit einem niedrigen Zahlungslimit). Wichtig für die breite Akzeptanz einer solchen Lösung, so betont der Artikel, wäre eine Offenlegung des Quellcodes.
(Als Nebenbemerkung: bei Blockchain-Zahlungen, zB Bitcoin, ist KEINE Anonymität gegeben, alle Zahlungen können in der Blockchain nachvollzogen werden. Und bei Zahlungen mit Bankkarten werden reichlich Daten weitergegeben, auch wenn die Zahlungsdienstleister über die die Zahlung abgewickelt wird, nicht wissen, WAS ich gekauft habe, sondern 'nur' WANN, WO und für WIEVIEL Geld. Und auch Bargeld könnte de-anonymisiert werden, hier mein früherer Beitrag über mögliche Risiken für die Anonymität von Bargeld.)
Wie die regelmäßigen Leser wissen, bin ich persönlich Fan von Bargeld, aber wenn ich mit jüngeren Menschen darüber spreche, so werde ich oft mitleidig belächelt - das heißt, es gibt einen Bedarf für digitale Zahlungsmethoden. Ein wichtiger Vorteil des digitalen Euros ist, dass dies die erste digitale Zahlungsmethode wäre, die nicht über US-Firmen (mit dem dazugehörigen Datentransfer und Datenabfluss) abgehandelt wird (digitale Zahlungen fließen heute überwiegend über Mastercard, Visa oder Paypal). Ich halte das, in 'Zeiten wie diesen' (wo die Abhängigkeit von digitalen Diensten auch als 'Waffe' eingesetzt wird), für ein wichtiges Argument.
Hier geht es zu meinem vorigen Beitrag zu digitalem Zentralbankgeld.
4. Automatisierte Manipulation im industriellen Maßstab
Noch ein Angebot, das ich nicht gebraucht hätte: ‘Synthetic Influencers’ to Manipulate Social Media.
Die Firma (unterstützt von einem der wichtigsten Finanziers in Silicon Valley) verspricht das Generieren und Betreiben von Tausenden von 'synthetischen Influencern', die mit Hilfe ihrer jeweiligen Social Media-Accounts das tun, womit sie beauftragt werden. Zum Beispiel könnten sie irgendwelche Produkte bewerben, sie könnten aber auch eine politische Meinung, bzw. Verschwörungstheorien verbreiten oder Wahlen beeinflussen. Dadurch, dass ein typisches Angebot aus mehr als einem solcher Bots besteht, die sich gegenseitig bestätigen, weiterleiten und 'liken', nutzen diese Influencer-Teams die Algorithmen der Social Networks und sollen so schnell Einfluss und Reichweite gewinnen.
Das ist natürlich nach den Nutzungsregeln in jedem Social Network verboten, aber wen schert so etwas noch? Wenn Putin das liest, wird er dann evt. seine Petersburger Trollfabrik auflösen? Hier zu meinem vorigen Beitrag AI erzeugt virtuelle Influencer und der große Überblick: Ist der Westen bezahlten Influencern hilflos ausgeliefert?
5. UESCHRIFT
6. Ergänzungen früherer Beiträge
Beim Herrscher einschleimen
Nicht nur US-Unternehmen biedern sich bei Trump an: Neuer Ballsaal: Telekom-Tochter T-Mobile US bei Spendengala für Trump. T-Mobile US ist Tochter der Telekom, deren größter Einzelaktionär die Bundesrepublik Deutschland und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sind. Ergänzt wurde dies im Beitrag zu Einschleimen.
Enshittification auch im Auto und bei der Unterhaltung
Die Enshittification unserer Dienste ist aber nicht nur auf das Internet beschränkt. Aktuelle Meldung: VW ID.7 zeigt während der Fahrt Werbung am Display an und zwar auf dem Navi. Ich halte das nicht zielführend für die Erhöhung der Fahrsicherheit. VW will uns das als Service verkaufen. In den USA zeigt auch das Google-Navi Werbung für Geschäfte in der Nähe.
Nicht ganz so gefährlich, aber auch potentiell nervend: Samsung-Kühlschränke zeigen jetzt Werbung an.
Streamingpreise treiben Nutzer zurück in die Piraterie. Audio- und Videostreaming gegen Gebühren galt lange als der Sargnagel der Onlinepiraterie. Die kommerziellen Angebote bei Musik und Fernsehen waren irgendwann so vielfältig und doch erschwinglich dass sich die meisten Menschen die Suche nach illegalen Angeboten (mit dem Risiko, seine Geräte zu infizieren) nicht mehr angetan haben, 2020 wird als Tiefpunkt bei der Piraterie registriert.
Jetzt ziehen nicht nur die Preise kräftig an (ein durchschnittlicher europäischer Haushalt gibt angeblich mittlerweile 700€ pro Jahr für den Zugang zu Streamingdiensten aus) und auch die Angebote werden ausgedünnt oder mit Werbung durchsetzt.
Hier zum vorigen Beitrag zu Enshittification im Internet.
Endlich wird Starlink in den Myanmar Scam Compounds abgedreht
Ich habe regelmäßig über die schrecklichen Scam Compounds berichtet in denen Menschen gegen ihren Willen mit Gewalt gezwungen werden, Menschen in USA und Europa durch Betrügereien ihr Erspartes abzunehmen - ein leider extrem ertragreiches Geschäft. Nachdem nun China das Militär in Myanmar motivieren konnte, gegen diese Kriminellen vorzugehen, hat nun endlich auch SpaceX die Starlink-Antennen bei den mutmaßlichen Scam-Zentren in Myanmar deaktiviert. Das war m.E. erstens lange überfällig, aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein, solche Scam-Lager gibt es mittlerweile in vielen Ländern, siehe die Karte.
UN-Cybercrime-Convention
72 Staaten unterzeichneten die UN-Cybercrime-Convention, Kritiker fürchten um Menschenrechte. Jetzt wurde unterzeichnet, nun muss sie von den nationalen Parlamenten gemäß ihren eigenen Verfahren ratifiziert werden. 90 Tage nach der Ratifizierung durch den 40. Staat tritt sie dann in Kraft. Auch die Europäische Union hat ihre Signatur beigesteuert – trotz einiger abweichender Mitgliedsstaaten. Unterzeichnet haben aus Europa: Österreich, Slowakei, Belgien, Tschechien, Frankreich, Griechenland, Irland, Luxemburg, Polen, Portugal, Slowenien, Spanien und Schweden.
Als Erinnerung: Russland hat diese Konvention initiiert, sie hoffen wohl nun eine bessere Rechtshilfe bei der Verfolgung von Kritikern im Ausland. Insgesamt 16 Organisationen aus dem Datenschutz- und Menschenrechtsbereich haben versucht, das Abkommen zu verhindern. Es verpflichtet die Staaten, umfassende elektronische Überwachungsbefugnisse einzurichten, um eine Vielzahl von Straftaten zu untersuchen und bei deren Verfolgung zusammenzuarbeiten, darunter auch solche, die nicht mit Informations- und Kommunikationssystemen in Zusammenhang stehen. Alles hängt davon ab, was ein Staat als 'schwere Straftat' definiert, auch wenn dies in den anderen Ländern als Menschenrecht gesehen wird (zB "freie Meinungsäußerung"). Wenn die Konvention in Kraft ist, müssen die unterzeichnenden Länder diese Daten herausgeben.
Alle Hintergründe gibt es im vorigen Übersichtsartikel.
Chatbots und psychische Gesundheit
OpenAI hat zum ersten Mal beziffert, wie viele Menschen mit psychischen Problemen regelmäßig ChatGPT nutzen, ihre Zahlen sind:
Hauptpunkt ihrer Veröffentlichung ist aber, dass es ihnen gelungen ist, die Zahl der 'problematischen Konversationen' auf ca. die Hälfte zu reduzieren. Das ist schön, aber immer noch eine schrecklich hohe Zahl von gefährdeten Nutzern. Hier ein ausführlicher Artikel dazu: OpenAI hat zum ersten Mal beziffert, wie viele Menschen mit psychischen Problemen regelmäßig ChatGPT nutzen. Hier der Link zu meinem ausführlichen Beitrag: AI-Chatbots, ein globales psychologisches Experiment.
Achtung bitte!!
Leser, die evt. von psychischen Problemen betroffen sein könnten, sollten sich bitte nicht an Chatbots, sondern an die entsprechenden Hilfsstellen wenden, verlinkt ist eine Liste mit Stellen in allen deutsch-sprachigen Ländern.
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